Samstag, 27. Juni 2009

Auf der Suche nach Combray

Auf der Suche nach Combray

Montag, 22. Juni 2009

Bob Dylan in Edinburgh

Bob-Dylan-in-Edinburgh

3. Mai 2009 Playhouse

Sonntag, 21. Juni 2009

Lanzarote und der Wein

Schwer vorstellbar, dass von dieser Insel belangloser Wein käme. Ich habe dort manch Eigenwilliges, aber nie Banales getrunken. Klima und Geo-Geschichte sorgen besser als jedes Weingesetz für Qualität.
Seit Jahrtausenden herrscht vulkanische Aktivität auf Lanzarote. 1730 -36 wurden weite Teile der Insel verwüstet. Das letzte Mal bebte im 19. Jahrundert die Erde. Ehemals fruchtbare Täler und die „Kornkammer“ der Insel bei Timanfaya liegen unter meterdicken Lavaschichten begraben.
Der Weinbau war für Lanzarote eine wirtschaftliche Rettung (die Zahl der Winzer stieg seit den 90er Jahren rapide). Obwohl wegen niedriger Höhenzüge besonders wenig Regen fällt, und das Klima subtropisch ist, sind die Bedingungen erlesen: Die Winzer setzen auf Trockenbau und die langsame Osmose aus Vulkanstaub statt auf Bewässerungssysteme. Reben werden in tiefen, von Lavasand bedeckten Mulden angeflanzt. Der saugt Regenwasser auf – aber viel mehr noch die Feuchtigkeit der Passatwinde, die vom Atlantik herüberwehen. „Tau“ wird über den ganzen Tag hinweg in die Wurzeln abgeben. Mäuerchen schützen vor Austrocknung. Bis zu vier Meter Abstand herrscht zwischen den Reben, die sich tief in die Erde eingraben. Geerntet werden muss (ab Juli) per Hand.
Die wundersame, elementare Schönheit der Insel – irgendjemand schrieb, hier zeigt die Erde ihre nackte, von Grünzeug nicht dekorierte Gestalt – ja, davon spiegelt sich etwas in den Weinen. Sicher wäre es unklug, mit einem Moscatel seco von Angel Baretto aus St. Bartolome (tolle Stadt mit eigenem Theater) zu beginnen. Wie ein Biss in herbe, scharfe, taufeuchte Gräser. Dabei eine deutliche Klebstoffnote, die bestimmt kein Fehlton ist. In seinem interessanten El Campesino-Rotwein findet sie sich wieder. Baretto, der auf Traditionen pocht, ist eingehendere Studien wert...
Wer ein Weingut am Wege besucht und einen offenen Malvasia angeboten bekommt, erlebt ihn oft in seiner derben, öligen Art, die sich gut als Aperitif eignet. Davon haben sich auch die Tropfen des Castillo Guanapay etwas bewahrt. Schon nach kurzem Luftkontakt transzendieren die großmäuligen Noten jedoch auf wundersame Weise zu einer angenehmen Komposition.
Ein Höhepunkt auf Lanzarote - und am bekanntesten - ist die Bodega El Grifo. Das historische Weingut – gekeltert wird inzwischen woanders – befindet sich an der berühmten Weinstraße von La Geria: Eine unbefestigte schmale Piste durch ein weites Tal, in der sich die sichelförmigen Rebenmulden bis zu den Füßen der Vulkane erstrecken. Zwischen ihnen kann man in völliger Einsamkeit herumwandern und vom Chateau Kle auf Lanzarote träumen. Größere und kleinere Bodegas säumen die Route, das Portal von El Grifo schmückt ein von César Manrique gestaltetes Wappentier.
Zur Weinprobe kann, wer will, angenehm an Einzeltischen in einer der Gewölbekammern sitzen. Beindruckend das Museum im alten Weinkeller. Geräte , Maschinen und Fässer – vieles stammt aus Paris oder Bordeaux– lassen sich unmittelbar an ihrer historischen Wirkungsstätte anschauen. So verschiedene Generation von Traubenpressen aus dem 19. Jahrhundert und auch die erste motorisierte, die sinnigerweise wie ein Rennauto aussieht, Entrappungsmaschinen, Champagnerhersteller-und wender etc. Man läuft auf einem Gitter, unter dem die Süßweine in einer Vulkanhöhle reifen, kann Fässer, oenologische Instrumente wie Alkoholmessgeräte und einige „Medikamente“ bestaunen. Ja, zum Beispiel eine gelbe Blechbüchse aus Frankreich mit mehrfach preisgekrönter 1 kg Tanninmischung „vins blancs“ mit Gebrauchsanleitung in mehreren Sprachen. Zahllose Fläschchen „farmacia de...“ Daneben ein blumiger „Filtre Theorie Pasteur, Paris “. Ich habe ordentlich auf den Auslöser gedrückt.
Imponierend außerdem die originalgetreue Nachbildung einer Weinfass-Werkstatt im oberen Stock und nicht zuletzt die über 1000 Bände starke Weinbibliothek.
Und was wird heute produziert? El Grifos Listán negro von o2 hat die für diese Kellerei typische noble Zartheit, aber wie es scheint, sind Lanzarotes Weißweine am bemerkenswertesten. Auch ein malvasia brut nature wird produziert, der – anders als ich erwartete – feinperlig ist und zarte, frische Aromen aufweist.
Ich bin kein Malvasia-Experte, schätze aber den „einfachen“ von El Grifo schon lange und der im Barrique gereifte (kostet vor Ort wie der Sekt ca. 12 Euro) fasziniert mich. Goldgelbe, durchscheinende Farbe, sehr deutliches Apfelaroma und feine mineralische Andeutungen, die sich wer weiß wie entfaltet hätten, wenn ich den 02er nicht viel zu früh getrunken hätte.
Wer Lanzarote besuchen will, sollte es bald tun. Es wütet dort seit einigen Jahren ein ungeheurlicher Bauboom, Strände und ganze Küstenstriche verschwinden unter Beton. Der Künstler César Manrique engagierte sich einst für eine Insel- Architektur und Fremdenkverkehr im Einklang mit der Natur. Seine zahlreichen Bauwerke wecken aber auch den Eindruck der Verniedlichung von Umwelt und Traditionen. Man könnte in ihm ein Pendant zum „Naturwein“-Idealisten sehen und auch, wohin das führt. Da seine Ideen die Insel lange Zeit vor hässlichen Bausünden bewahrt und ihr ein besonderes Image gaben, werden sie nun mit Kommerz&Profit verschmolzen. Immer noch werden die Häuser eher flach gebaut, orientiert man sich ansatzweise am inseltypischen Stil und versucht, verspielt-künstlerisch daherzukommen. Was dabei herauskommt, ist eine unfreiwillig komische Disney World. Während Manrique im ethnographischen Eifer ganze Bauerndörfer nachbaute, lassen seine Nachfolger riesige Yachtäfen aus dem Nichts entstehen, die aussehen, wie sich Nordeuropäer den Süden in ihren Träumen vorstellen...tja, hier hat der gewiefte Kellertechniker den Naturweinfreak erstmal vor seinen eigenen Karren gespannt. Bis die Kunden meckern und es wieder in die andere Richtung geht.

Freitag, 19. Juni 2009

Beckett 2

Auch wenn "Beckett was here" leider nur Auszüge aus den Tagebüchern enthält: Faszinierend ist, wie man mit dem Schriftsteller in das Hamburg der 30er Jahre taucht. Vor allem in das damalige Kulturleben, das sich in einer unheimlichen Zwischenwelt abspielte. Nicht nur aus heutiger Sicht, Beckett notiert oft genug die Absurdität der Nazi-Propaganda ob in der Öffentlichkeit oder in den Worten von Gesprächspartnern. Viele Verfolgte waren schon geflüchtet, andere harrten noch aus. Auch das Schicksal derjenigen, die nicht unmittelbar durch das Regime bedroht waren, würde langsam aber sicher von Krieg und Vernichtung bestimmt sein.
Beckett besichtigte Kirchen und Museen und seine Spaziergänge über den Ohlsdorfer Friedhof spiegeln sich in der Erzählung "Erste Liebe" von 1970. Er ist Gast im Multikulti-Salon von Helene Fera in der Bellevue, die sich besonders für indische Studenten engagierte, kommentiert angewidert die Lesungen mancher damals populären Intellektuellen und fährt mit der "Vorortbahn to Landwehr" um den Maler Karl Ballmer zu besuchen. Und im Wohnblock am Horner Stieg einen jungen Buchhändler, mit dem er sich anfreundete. Günter Albrecht fiel 1941. Becketts Briefe an ihn überstanden im Horner Keller die Bombardements von 1943.
Samuel Beckett wohnte im Univiertel und erwähnt viele der auch heute noch prominentesten Gebäude und Straßenzüge der Innenstadt. Jedoch im Kontext einer anderen, erschreckenden Epoche, die plötzlich im Licht ihrer damaligen Alltäglichkeit erscheint. Für heutige Hamburg-Spaziergänger ist Beckett nach wie vor ein aufregender Wegbegleiter.

Mittwoch, 17. Juni 2009

Beckett was here

Der irische Schriftsteller Samuel Beckett unternahm 1936/37 eine große Deutschlandreise. Zuerst fuhr er mit dem Schiff nach Hamburg, wo er die meiste Zeit verbrachte (9 Wochen). Von seinem „german diary“ erschien auch nur der Hamburger Teil in einer Auflage von 150 Exemplaren. Roswitha Quadflieg zeichnet in ihrem Buch „Beckett was here“(Hoffmann und Campe) seine Erlebnisse, Begegnungen, Trink-und Esserfahrungen in der Stadt anhand von vielen Originalzitaten, Fotos und persönlichen Recherchen nach. "Aalsuppe&Roquefort&Trittenheimer. Aalsuppe excellent but the plums perhabs a mistake… "Im Ringhaus (zum Elefanten) ate colossal lunch for 1 RM." "Then wild feier with Frau Hoppe (aus Posen) dabei Rheinpfalz&the ewige Kuchen."
Es bewegt und erschreckt, die eigene Heimatstadt durch die Augen eines Reisenden zu sehen, der lange vor der eigenen Geburt vor Ort war und Gebäude und Straßen, die ich täglich sehe, in der Nazi-Zeit kennenlernte: „H H ohne Unterlass“ … „alle Klowärter sagen Heil Hitler.“
Nach der Ankunft an den Landungsbrücken mit dem Schiff aus Cóbh war Zeit für „shave, bath, whisky“. Dann gings zum „Adolf Hitler Platz (once Ratsmarkt)“ und auf die Reeperbahn „Extraordinary, long boulevard running west with kinos, bars, cafés, dancings, etc.all along the way both sides (…)A rise to Montparnasse to nth.“Wo manchmal aber „No Stimmung“ herrscht. Gegen seinen Frust „very dull&dissapointing“ – „Pouring rain&bitter cold&dog tired“trank Beckett – der seinen ersten Roman „Murphy“ geschrieben hatte, aber von Verlagen nur Absagen erhielt „Excellent Bottle Mosel“ – oft in der Weinstube Dölle am Stephansplatz. Bei einem Besuch im Weinhaus Rheinpfalz machte er sich folgende Degustationsnotizen: „drank 5/20 litre of 1935er Duttweilerer Siederich Riesling u. Traminer, a nervous &tasteless article, &do. of 1935er Leistädter Kirchenstück Riesling Spätlese, much better (…) next time try 1934er Deidesheimer Lettler Spätlese“ – „Angenehme Stimmung“.
Die Autorin konnte noch einen Zeitzeugen aufspüren, der zur gleichen Zeit wie der spätere Nobelpreisträger in einer Pension an der Schlüterstraße logierte und abends mit ihm die Mahlzeiten einnahm. Beckett überlieferte die Gespräche mit ihm („explains all about Leicas, Vergrößerungsobjekte&Gott was was sonst“). Als der Tischnachbar von früher auf einen gewissen Beckett angesprochen wird, erinnert er sich jedoch an einen Mann, der von 1118 bis 1170 gelebt hat: Den Erzbischof von Canterbury Thomas Becket.

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